Donna Leon - Verschwiegene Kanäle

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mordsfilm
Altstadtquerulant
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Donna Leon - Verschwiegene Kanäle

Beitrag von mordsfilm »

Donna Leon, die Amerikanerin in Venedig, die die literarische Krimiwelt um einen inzwischen berühmten Commissario bereichert hat (der mit Joachim Krol so sensationell fehlbesetzt war...) legt mit diesem Werk ihren zwölften Brunetti-Fall vor.

In einer privaten Militärakademie wird einer der Schüler erhängt in der Dusche gefunden.

Selbstmord, nimmt man an, aber Brunetti macht das Verhalten der Mitschüler und der Lehrer sofort mißtrauisch. Alle haben anscheinend irgendetwas zu verbergen.

Und der tote Junge ist kein anderer, als der Sohn des ehemaligen Abgeordneten Moro, der sich durch seine beharrlichen Fragen in verschiedenen Ausschüssen bestimmt keine Freunde gemacht hat, und schon gar nicht beim Militär, wie Brunetti bald herausfinden muß.
Doch die Arbeit wird ihm nicht leicht gemacht.
Denn obwohl die Akademie eine reine Privatschule ohne jede Verbindung zur Armee ist, herrschen hier der militärische Corpsgeist, das Elitedenken und die offen zur Schau gestellte, antidemokratische Gesinnung vor, die Brunetti einerseits zur Weißglut treiben, ihn andererseits immer wieder gegen Gummiwände laufen lassen.

Zu allem Überfluß ist nämlich der Schulleiter auch noch ein guter Freund von Brunettis genauso inkompetentem wie verachteten Vorgesetzten, Vice-Questore Patta...


Für Brunetti-Fans ist der Roman natürlich ein Muß, aber für Einsteiger würde ich ihn nicht empfehlen.
Man muß den Protagonisten nämlich schon ziemlich kennen und lieben, um die vielen Auslassungen durch Wissen aus früheren Werken zu ergänzen.

Im Vergleich zu den letzten, ungleich aufwühlenderen und dynamischen Romanen, kommt Verschwiegene Kanäle überraschen blutarm daher.

Dies mag daher kommen, daß sich Donna Leon diesmal gleich in zweifacher Hinsicht auf unbekanntes Terrain vorgewagt hat: Militärstrukturen und Denkweisen scheinen ihr genauso fremd und unverständlich zu sein, wie das Verhältnis von Vätern zu ihren Söhnen.

Aus diesem Grund erscheinen die Figuren viel weniger lebendig und plastisch als andere, die sie offenbar aus ihrer unmittelbaren Umgebung heraus erschaffen hat, denen sie einen Charakter und Eigenheiten geben konnte, Details, die sie real erscheinen ließen.

Dagegen sind die Menschen, mit denen wir es hier zu tun bekommen, zweidimensionale, durchgepauste Standardvorlagen, für oder gegen die sich nicht so recht ein Gefühl einstellen will.

Wenn dann auch noch hinzukommt, daß der Verlauf der Geschichte außerordentlich vorhersehbar und spannungsarm ist und zu allem Überfluß Brunetti ausnahmsweise einmal absolut naheliegende Fragen aus dramaturgischen Gründen erst ganz am Schluß stellt, muß ich leider von einem weniger gelungenen Werk sprechen.

Von den Brunettis, und ich kenne sie alle, gehört Verschwiegene Kanäle leider eindeutig zu den schwächeren.


L
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hpt.mumm
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Beitrag von hpt.mumm »

genau!

L

boah eyhh, hat entlich geklaptt :lol:
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