Die Mietze

Philosophische Höhenflüge und Abstürze
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

Auch wenn es penetrant erscheinen mag: Um nochmal auf Schrödingers Katze zurückzukommen...

Ich hatte bisher von dieser Mietze immer nur aus zweiter Hand gehört/gelesen.
Alle Welt hatte sich daran ergötzt und war begeistert und so weiter.

Nur mir wollte sich diese Begeisterung nicht erschließen.

Sehr verkürzt dargestellt, wurde immer behauptet, daß die Katze in der Kiste sich in einem Schwebe/Überlagerungszustand zwischen tote Katze und lebende Katze befände.
Bedingt durch die obskure Versuchsanordnung mit dem Zerfall irgend einer dann giftig seienden Substanz.

Erst durch das Öffnen der Kiste und das Nachsehen würde dieser Zustand beendet.

Und das ist der Knackpunkt für mich, denn das war immer in meinen Augen ausgemachter Blödsinn.

Es suggeriert nämlich eine Kausalität, die de facto nicht existiert.

Das Öffnen der Kiste hat auf den Zustand der Katze an sich überhaupt keine Auswirkung.
Der Zustand ist davon vollkommen unabhängig.

Von daher funktioniert das ganze Modell nicht.

Ist die Mietze tot, ist sie es auch schon vor dem Öffnen der Kiste und wird dadurch nicht mehr lebendig.

Die einzige Variable ist die Kenntnis des Zustands, die erst durch das Öffnen der Kiste zu erlangen ist.

Ich habe jetzt mal ein bißchen zum Thema nachgelesen.

Es geht offensichtlich um die Heisenbergsche Unschärferelation, was etwas mit dem berühmten Korpustel/Welle Dualismus von Teilchen zu tun hat.

Offenbar postuliert Heisenberg dabei die Unmöglichkeit, beide Eigenschaften des Teilchens gleichzeitig feststellen zu können, da die eine Eigenschaft zwangsläufig durch das Nachmessen der anderen beendet wird.

Es wird in diesem Fall also tatsächlich durch die gesicherte Erkenntnis der einen Eigenschaft kausal die gesicherte Erkenntnis der anderen verhindert.

Hm... Ich merke gerade, bezogen auf die Erkenntnis des Zustands funktioniert auch das Kausalitätsmodell via Katze wieder.

Wobei aber der Korpustel/Welle Dualismus wohl keine derart klassische Dichotymie darstellt, wie lebendig/tot.
Sonst wäre ja nie einer auf die Idee gekommen, daß beides gleichzeitig meßbar sein müßte.

Vielleicht ginge eine Analogie eher in die Richtung: Welches Gewicht hat ein fahrender ICE bei 330 km/h?

Ich kann den Zug auf eine Waage stellen, wenn sie groß genug ist.
Dann weiß ich sicher, was er wiegt. Aber nur, wenn er steht, also die andere Bedingung Geschwindigkeit nicht existiert.

Ich kann aber auch die Geschwindigkeit exakt messen. 330,00 km/h.
Nur dann kann ich den Zug nicht auf die Waage stellen.

Also kann ich beide Fragen nicht gleichzeitig gesichert messend beantworten.

Ich kann mich nur theoretisch der Sache nähern.

Wobei Gewicht und Bewegung ja keine Größen sind, die einander ausschließen.

Okay.

Ich behaupte jetzt mal, die Mietze so weit verstanden zu haben.

Nun kommen die Spezialisten mit den massiven Fehlern in meiner Denkerei.

Und dem Nachweis meiner eklatanten Bildungslücken...

:lol:
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PitKlein
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Beitrag von PitKlein »

Jetzt nochmal ernsthaft zum Thema Vakuum, Teilchenzerfall, Katze und Heisenberg. Nach der "Kopenhagener Deutung" von Born (Nobelpreisträger), auf die sich auch die Heisenberg'sche Unschärferelation bezieht, befinden sich Teilchen nie an einem singulären Ort, sondern immer gleichzeitig an allen denkbaren Orten, "an denen die Wellenfunktion nicht Null ist". Sobald eine Ortsmessung vorgenommen wird, kollabiert die Teilchenwelle und es entsteht ein singuläres Teilchen. Ob der beschriebene Kollaps wirklich eintritt, ist allerdings umstritten.

Das Zugbeispiel von Matthias ist als Verständniskrücke sicher nicht schlecht, hat aber mit Quantenmechanik und Wellenfunktion überhaupt nichts zu tun. Denn zunächst einmal ist die Heisenbergsche Unschärferelation kein philosophischer Ansatz, sondern ein physikalischer. Der wichtigste Aspekt der Quantenmechanik ist die Tatsache, dass Ort und Impuls eines Teilchens niemals zugleich genau gemessen werden können.

Ach ja, nochmal zu Jörg: Einsteins Theorem, nichts im Universum könne sich schneller bewegen als das Licht, gilt mittlerweile als widerlegt. Bei entsprechenden Versuchsanordnungen konnten Teilchen beobachtet werden, die Distanzen in Nullzeit zurücklegten und damit an mehreren Stellen gleichzeitig messbar waren und sich entsprechend identisch verhielten.

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Ciao
Pit

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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

PitKlein hat geschrieben:Das Zugbeispiel von Matthias ist als Verständniskrücke sicher nicht schlecht, hat aber mit Quantenmechanik und Wellenfunktion überhaupt nichts zu tun.
Natürlich nicht.

Es war ja auch nur bildnishaft als Analogie für den Otto Normaldenker (also mich) gedacht und sollte die gleichnisimmanenten Mißdeutungsmöglichkeiten der Katze von vorn herein ausschließen.

:lol:
SIM_Blackblade
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Beitrag von SIM_Blackblade »

Fakt ist einfach, ist, dass dieses Gedankenexperiment einen (evtl. gewollten) Fehler enthält. Nämlich den, ein quantenphysikalisches Phänomen in unsere makroskopische Welt übernehmen zu wollen.
Das funktioniert aber nicht.

In unserer Welt gibt es diese echte Überlagerung von Zuständen nicht, in der Quantenphysik aber sehr wohl.

Viele sind heute der Meinung, dass Schrödinger mit seiner Katze gerade das Paradoxe in Situationen in der Quantphysik veranschaulichen wollte und die Unmöglichkeit, sich diese Phänomene zu veranschaulichen.
Offenbar postuliert Heisenberg dabei die Unmöglichkeit, beide Eigenschaften des Teilchens gleichzeitig feststellen zu können, da die eine Eigenschaft zwangsläufig durch das Nachmessen der anderen beendet wird.
Das ist aber nicht ganz die richtige Interpretation. Es geht bei Schrödingers Katze um die sog. "Überlagerung von Zuständen", was bedeutet, daß das Teilchen beide (oder noch mehr) Zustände gleichzeitig besitzt. z.Bsp. können sie an mehreren Orten gleichzeitig sein, solange keiner "hinsieht".
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

SIM_Blackblade hat geschrieben:Es geht bei Schrödingers Katze um die sog. "Überlagerung von Zuständen", was bedeutet, daß das Teilchen beide (oder noch mehr) Zustände gleichzeitig besitzt. z.Bsp. können sie an mehreren Orten gleichzeitig sein, solange keiner "hinsieht".
Was aber nichts weniger bedeutet, als daß einige Grundprinzipien tradierten menschlichen Denkens (und auch der klassischen Physik) in der Quantenphysik aufgehoben, sprich nicht existent sind.

Damit entzieht sich die Quantenphysik schlußendlich jeglichem, menschlichen Vorstellungsvermögen.

Stelle ich mir vor...

:idea:
SIM_Blackblade
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Beitrag von SIM_Blackblade »

Damit entzieht sich die Quantenphysik schlußendlich jeglichem, menschlichen Vorstellungsvermögen.
Nun ja.... soweit würde ich nicht gehen. Aber dem der meissten Menschen wohl sicher.
Es gibt aber schon Leute, die in der Lage sind, sich Dinge in diesen Bereichen vorzustellen. Ohne dieses Vorstellungsvermögen würde man imho nicht zu wirklich neuen Erkenntnissen kommen.
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

SIM_Blackblade hat geschrieben:Ohne dieses Vorstellungsvermögen würde man imho nicht zu wirklich neuen Erkenntnissen kommen.
Kommt man ja auch nicht wirklich, behaupte ich einfach mal.

Es hat niemand ein subatomares Vorstellungsvermögen, sondern muß sich immer wieder mit Makro-Modellen begnügen.

Was die Quantenmechanik betrifft ist das entweder Messung im Rahmen dessen, was möglich ist, also auch wieder nur nach tradierten, menschlichen Maßstäben, oder nackte Extremmathematik, die dann wiederum interpretiert werden muß.
Auch in menschlichen Maßstäben.
Und wenn dann überhaupt nichts mehr zusammenpaßt, bleibt er große Rettungsanker: Chaostheorie. Wir postulieren, daß es das oberste Gesetz ist, daß sich nie irgend etwas vorhersagbar verhält.
Was dann aber auch nicht zwingend zu gesicherten Erkenntnissen (nach menschlichen Maßstäben) führt!

:lol:

Damit ich jetzt nicht als reintheoretischer Nihilist erscheine:

Ein Freund von mir, IQ schon bald nicht mehr meßbar, hat seinen Dr. in theoretischer Physik mit summa cum laude gemacht.

Von seiner Dissertation, die ich signiert bei mir rumliegen habe, habe ich (wenngleich auch nicht unbedingt mit dem Klammersack gepudert), nur die Danksagung verstanden, und davon auch nur die Hälfte.
Als ich mir dann einmal von ihm erklären lassen wollte, um was es eigentlich ging, war er dazu nicht in der Lage.
Es war nackte Mathematik mit dem Ergebnis, daß in Australien ein paar Leute eine genauso mathematische, nackte These in den Mülleimer werfen konnten.
Dazu hatte Axel aber ein halbes Jahr den Zentralrechner rauchen lassen.
Und eine neue Antwort hatte er auch nicht gefunden.
Nur den mathematischen Nachweis, daß die alte nicht sein konnte.
Erkenntnis der summa cum laude Dissertation: Wir wissen nun garnix mehr.

:roll:
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PitKlein
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Beitrag von PitKlein »

@Mordsfilm
Es war ja auch nur bildnishaft als Analogie für den Otto Normaldenker (also mich)
Wenn Du ein Normaldenker bist, bin ich Heisenberg. :?
Ciao
Pit

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PitKlein
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Beitrag von PitKlein »

Es hat niemand ein subatomares Vorstellungsvermögen, sondern muß sich immer wieder mit Makro-Modellen begnügen.
Vollkommen korrekt. In der Benutzung von Modellen liegt unsere größte Stärke und Schwäche zugleich.
Ciao
Pit

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SIM_Blackblade
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Beitrag von SIM_Blackblade »

Kommt man ja auch nicht wirklich, behaupte ich einfach mal.
Das halt ich für gewagt ;)

Bist Du der Meinung, dass der Fortschritt von der Newtonschen Mechanik zur speziellen Telativitätstheorie keine neue Erkenntniss war?
Es hat niemand ein subatomares Vorstellungsvermögen, sondern muß sich immer wieder mit Makro-Modellen begnügen.
Sorry, aber das halte ich jetzt für rethorische Konrinthen-Kackerei. :P Natürlich kann man sich subatomare Vorgänge nicht wirklich konkret Vorstellen, da einem die entsprechende Erfarhungsbasis fehlt.
Aber unter Vorstellungvermögen verstehe ich etwas mehr, als in der Lage zu sein, Giselle Bündchen im Traum nackt zu sehen ;)
Vorstellungskraft ist absolut notwendig, um in einem vorhandenen Modell neue Ideen (oder Theorien) entwickeln zu können. Das die Vorstellungen hier mit Hilfsmodellen, Analogien etc. gebaut werden, ist imho nebensächlich.
Wenn in der Quantenmechanik nicht's vorstellbar wäre, wie soll dann überhaupt jemals jemand darauf gekommen sein? Eine Weiterrechnung gab es da nicht.
Im Gegenteil, es war damals ein revolutionär neues Denkmodell.
Und es hat viele Dinge beschreibbar gemacht, die es vorher nicht waren.
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