Peter Schwindt - Justin Time - Zeitsprung

Wer Lesen kann und damit angeben muß, was er gerade liest oder gelesen hat
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mordsfilm
Altstadtquerulant
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Peter Schwindt - Justin Time - Zeitsprung

Beitrag von mordsfilm »

Justin Time ist ein Teenager, lebt ihm Jahr 2385, geht auf ein Internat, seit seine Eltern bei einem mißglückten Experiment mit einer Zeitreisemaschine verschwanden, und sieht ereignislosen Ferien entgegen, die er wie immer als einziger Schüler innerhalb der Mauern der Schule verbringen soll.
Doch dann bekommt er eine überraschende Einladung seines Onkels nach London, die er gegen den Willen der Schulleiterin annimmt und sich aus der Anstalt schleicht.
Das Mißtrauen der Rektorin war offensichtlich nicht unberechtigt, denn Justin platzt in nichts weniger als die Vorstellung der ersten kommerziellen Zeitreisemaschine durch die Firma seines Onkels Chester.
Und damit nicht genug: Der hat keine Ahnung, was Justin bei ihm will, denn ER hat ihn mit Sicherheit NICHT eingeladen.
Und jetzt gibt es auf einmal eine massive Störung mit seinem Zeittouristen, die Maschine ist beschädigt und taugt nur dazu, Personen unter 50 kg durch die Zeit zu befördern, um eine fatale Fehlentwicklung der Geschichte zu verhindern.
An wem wird diese Aufgabe wohl hängenbleiben...


Justin Time liest sich flüssig und unterhaltsam, weist aber ein paar Brüche auf. So wird nicht klar, warum der Autor seinen Protagonisten gleich 350 Jahre in die Zukunft schicken muß. Die technische und soziologische Weiterentwicklung, die er dem 24. Jahrhundert andichtet, ist jedenfalls nicht der Rede wert.
Er hat keine besonders komplexe, durchgestaltete Welt entworfen, weil er sie einfach nicht braucht, denn er schickt seinen Protagonisten ja fast unmittelbar in die Vergangenheit und behält ihn die meiste Zeit dort.
Doch dieser Mangel an Hintergrund macht Justin auch in seiner Zeitreise blaß. Es fehlt ihm einfach die Lebendigkeit eines vollständigen Wesens und so benimmt er sich im Prinzip nicht anders als ein Teen der aktuellen Gegenwart es auch täte.
Wobei Justin jedoch bemerkenswert alterslos agiert, fühlt und spricht.
Dazu kommen einige sprachliche Uneleganzen wie Wortdoppelungen, die dem Autor immer wieder unterlaufen und den Lesefluß und -genuß hemmen.
Mir persönlich gefallen Jugendbücher immer dann am besten, wenn der Autor von seinem Habitus her nicht ausdrücklich ein Buch FÜR Jugendliche schreibt, sondern seine Klientel ernst nimmt und erwachsen behandelt.
Das ist bei Justin Time leider nicht immer der Fall.
Ich wurde die ganze Zeit das Gefühl nicht los, daß es dem Autor persönlich an Erfahrung mit der (Gefühls)Welt eines 13jährigen mangelt und er sich deshalb eben vieles ausDENKEN muß - oder es einfach ausläßt.
Das Buch ist trotzdem flüssig lesbar und macht an vielen Stellen auch Spaß.
Ich habe mit die bislang vorliegenden anderen drei Bände auch bestellt, denn im ersten Roman sind bewußt so viele lose Enden und Handlungsstränge angelegt, daß man schon gerne wüßte, wie es weitergeht.
Und vielleicht bewegen sich der Autor und sein Held ja auch weiter aufeinander zu.

6 von 10 Punkten.
MacMurphy
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Beitrag von MacMurphy »

Justin Time...tss.
Also wenn ich zur Zeit nicht andere Sorgen hätte... 8)
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insideR
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Beitrag von insideR »

Wer Sorgen hat, hat auch Likör!
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

Ich habe ganz vergessen, die Tür zuzumachen.

Es sind insgesamt 5 Bände um Justin Time, die am Ende dann zusammengeführt und zu einem Abschluß gebracht werden.

Der Geschichte ist immerhin so viel Spannung nicht abzusprechen, dass man weiterliest, weil man wissen möchte, wie es weiter- und ausgeht und der Autor hält eine ganze Reihe echter Überraschungen und wechselnder Fronten parat.

Wie schon im Eingangsposting angemerkt, ist die Geschichte immer dort stark, wo sie sich in der Vergangenheit bewegt und viele Details zu einem authentisch erscheinenden Ganzen führen.
Schwächer, kopfig und unsinnlich wird es dort, wo die ferne Zukunft betroffen ist, die von ihrer Technik her völlig inkonsistent und nur funktional für die Geschichte erscheint.
Oder besser: Es stolpern durch eine Welt, die 380 Jahre Entwicklung durchgemacht haben müßte Figuren, die im Kopf (und dem ihres Vaters) noch immer am Anfang des 21. Jahrhunderts stehen.

Für die gesamte Reihe gebe ich knappe 6 von 10 Punkten.
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DieUnvergraulbare
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Beitrag von DieUnvergraulbare »

Justin Time, das nenne ich mal ein gelungenes Wortspiel. Die Rezension klingt auch sehr interessant, wenn auch nicht restlos überzeugend. Lohnt es sich, die Bücher zu kaufen, wenn man keine Kinder im Haus hat, die sie evtl. abnehmen? Haben Sie die Bücher auf deutsch oder auf englisch gelesen?

[Edit] Dem Autorennamen nach scheint das Original deutsch zu sein, sehe ich das richtig?
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

Peter Schwindt ist Deutscher und auf Englisch sind die Bücher nicht erschienen, so weit ich weiss; die haben selbst genug wirklich gute Fantasy Autoren.

Als Vielkinderhaber lohnt sich die Anschaffung als Investition in die Zukunft für mich schon, dazu kommt, dass ich Bücher sammle.

Aber ich würde sie nicht empfehlen zu kaufen.
In einer gut sortierten Bücherei müßten sie zu leihen sein, das reicht.

Wer eine spannende, sinnliche und entschieden emotionalere Zeitreisegeschichte lesen möchte dem empfehle ich (sehr) die geniale "Stravaganza"-Trilogie von Mary Hoffman (Sadt der Masken, Stadt der Sterne, Stadt der Blumen), die jetzt gerade als Taschenbuchausgabe erschienen ist.
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insideR
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Beitrag von insideR »

DieUnvergraulbare hat geschrieben:Justin Time, das nenne ich mal ein gelungenes Wortspiel.
Sie sind ja einfach zu befriedigen.
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

Bei Damen spräche man, um Beoisierungen vorzubeugen, in diesem Zusammenhang wohl besser von "zufrieden zu stellen".
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insideR
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Beitrag von insideR »

"Stellen" und "Ständer" liegen nahe beeinander.
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DieUnvergraulbare
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Beitrag von DieUnvergraulbare »

Meine Herren, ich muss doch sehr bitten. Hier geht es um ein Jugendbuch.
Das Recht auf gescheitertes Leben ist unantastbar.
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