Tad Williams - Otherland

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mordsfilm
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Tad Williams - Otherland

Beitrag von mordsfilm »

Die Welt ist gute 100 Jahre weiter und noch überbevölkerter, die Regierungen sind noch mehr und eindeutiger Marionetten der multinationalen Konzerne, die Kluft zwischen Arm und Reich ist noch größer geworden, Afrika hat als Technologieproduzent genauso an Bedeutung gewonnen wie Südostasien und, was das Wichtigste ist, es existiert neben dem RL, dem Realen Leben auch noch das VL, das Virtuelle Leben.

Man klinkt sich entweder mittels Neurokanüle in das alles umspannende, überall erreichbare Netz ein oder mit anderen Simulatoren, die die Sensorik des Menschen überlisten und es ihm ermöglichen, das VL als real zu empfinden.

Ein Mensch ohne Netzzugang ist praktisch nicht existent. Und das Netz ist ein Abbild der realen Welt, zumindest was deren soziale Strukturen betrifft.

Wer es sich leisten kann, hat einen Account in teuren Spaß-Knoten, die alles an Unterhaltung und in jedem Extrem bieten, was sich der Mensch vorstellen kann.

Schon die Kleinkinder werden ins Netz gestöpselt und von der Kunstfigur Mr. Jingle durch krude Abenteuer geführt und von ihm angehalten, die Eltern zu bearbeiten, Mr. Jingle Devotionalien zu kaufen.
Und so geht es immer weiter.

Viele Kids treiben sich die meiste freie Zeit in Abenteuer-Szenarien herum, in denen sie unmögliche Aufgaben erledigen müssen, Erfahrungen und Punkte sammeln und sich weiterentwickeln.
Dort trifft man sich, schließt Freundschaften und macht am Ende dann auch im Netz allerlei Blödsinn.
Wie zum Beispiel sich Zugang zu Welten zu verschaffen, die einem eigentlich verboten sind.

Der Südafrikaner Stephen ist solch ein Kid. Im RL lebt er mit seiner Schwester Reni, die an der Universität arbeitet und Anfängerkurse in Computergestaltung gibt, sowie seinem Vater in einer kleinen Wohnung in einem heruntergekommenen Viertel.

Reni hat den üblichen Streß mit dem ständig betrunkenen Vater und dem Bruder, der viel zu viel im Netz herumhängt.

Doch dann passiert etwas Schreckliches, das das Leben aller auf den Kopf stellt.
Reni findet Stephen fällt in einer Art Koma, das die Ärzte nicht erklären können, das für Reni aber unmittelbar mit dem Netz zu tun haben muß.

Bei ihren Recherchen sieht sie sich auf einmal von merkwürdigen Gestalten verfolgt und bedroht, ihre Wohnung wird in Brand gesteckt und eine ihrer alten Professorinnen, die sie um Hilfe bei den Recherchen gebeten hat, brutal ermordet.

Reni findet sich plötzlich auf der Flucht und hat als einzige Unterstützung einen gerade erst angelernten Studenten, den Buschmann !Xabbu, ihren selten nüchternen Vater sowie den ehemaligen Diener ihrer Professorin.
Und eine geheimnisvolle Fremde, die sie nur als Stimme am Telefon kennt, die ihr klar macht, daß sie nur einen einzigen Weg sieht, Stephen zu helfen und das große Geheimnis zu lösen: Sie müssen online gehen und sich auf die Suche nach der goldenen Stadt machen, von der Reni als einzigen Hinweis ein Bild aus dem Netz mitgebracht hat.

Noch ahnt keiner, daß sie einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur gekommen sind und daß sie auf dem Weg in eine virtuelle Welt sind, die alles, was sie je gesehen haben winzig erscheinen läßt: Otherland, ein gigantisches, geheimes Netzwerk aus unglaublichen Welten, erschaffen von den reichsten Männern und Frauen der Erde, zu einem einzigen Zweck...


Otherland umfaßt vier Bände und insgesamt über 4000 Seiten, versteht sich aber als ein einziges, geschlossenes Werk.
Es ist nicht sinnvoll, einen einzelnen der vier Bände isoliert zu lesen.

Otherland ist vom Umfang ein gewaltiges Epos.

Ich habe es in vier Wochen vollständig gelesen.

Beim ersten Band zog mich die Erwartung, daß es nun doch endlich losgehen könnte.
Danach wollte ich wissen, wie es weitergeht.
Beim dritten Band fand ich ein paar richtig interessante Szenarien.
Und den vierten haben ich dann durchgehalten, weil ich ja schließlich wissen wollte, wie es eigentlich ausgeht.

Aber eins ist Tad Williams über die 4000 Seiten nicht gelungen: Mich zu fesseln, zu packen, zu berühren.

Dem ganzen Werk haftet für mich etwas merkwürdig Steriles, Emotionsarmes an, wie ich es aus der Science Fiction der 50er bis 70er kenne.

Es ist alles sehr ordentlich und konsistent konstruiert und in sich logisch, aber die Menschen interessieren einfach nicht.
Sie bleiben eindimensional, so sehr sich der Autor auch um Differenzierung bemüht.

Dabei mag eine Rolle spielen, daß er aus einer sehr, sehr großen Zahl von Perspektiven erzählt und immer wieder ein Mosaiksteinchen an das nächste setzt.

Er behält über sein Personal durchaus den Überblick, versucht halbwegs geschickt mit Cliffhangern zu agieren, die man aber oft schon längst vergessen hat, weil man den Schauplatz erst 100 Seiten später wieder betritt.

Es liegt aber nicht nur an dieser quasi-impressionistischen Struktur.

Daß man auf diese Art packende, weltumspannende, komplexe Geschichten erzählen kann UND einen Leser fesseln, das hat z.B. John Brunner meisterhaft bewiesen.

Aber da kommt ein Tad Williams einfach nicht mit.

Dazu schwelgt er einfach zu sehr in seiner Begeisterung über sich selbst, ein 4000 Seiten Werk zu verfassen.

Vieles erscheint redundant, hält die Handlung auf, baut Spannung ab und bewirkt ein Gefühl, das schon bald an die Haustür der Langeweile klopft.

Es ist mir nicht passiert, daß ich mich auch nur ein einziges Mal vor Spannung zwingen mußte, Satz für Satz zu lesen, statt an das Ende des Absatzes zu springen.

Ich behaupte jetzt einfach mal, daß Tad Williams mit der Hälfte des Umfangs die selbe Geschichte hätte erzählen können, ohne daß er deshalb Wesentliches hätte auslassen müssen.

So bleibt ein etwas zwiespältiges Fazit.

Repekt dem Autor für das Konstrukt und die Konsequenz, alle Fäden zusammenzuhalten und am Ende wieder zusammenzuführen.

Tadel dafür, daß er über dieser Konzentration auf Technik inhaltlich und erzählerisch keine Beziehung zu seinen Figuren entwickelt hat, die über das Funktionale und emotional Behauptete hinausging.
Und wenn der Autor schon keine Beziehung zu den Protagonisten hat, wie soll da der Leser eine entwickeln.

Man KANN Otherland durchaus lesen.

Man MUSS es aber nicht.

6 von 10 Punkten.
Zuletzt geändert von mordsfilm am 29. Dez 2004 15:35, insgesamt 2-mal geändert.
13

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Barus
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Beitrag von Barus »

Hm...

Ich warte auf die DVD. :cd: :teevee:
joswig
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Beitrag von joswig »

mordsfilm hat geschrieben:Man CANN Otherland durchaus lesen.
Ich nicht.
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

joswig hat geschrieben:
mordsfilm hat geschrieben:Man CANN Otherland durchaus lesen.
Ich nicht.
Ich auch nicht.

Ich meine, ich <DEPPENACCENT> so nicht geschrieben.

Cann ich mit Fug und Recht beHAUPTen.
joswig
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Beitrag von joswig »

ich <DEPPENACCENT> so nicht geschrieben.
Das sagen sie doch alle.
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

joswig hat geschrieben:
ich <DEPPENACCENT> so nicht geschrieben.
Das sagen sie doch alle.
Ich kann es beweisen.

Und verunstalten Sie bitte nicht eine weitere meiner Rezensionen mit OT-Shotgun-Spamming.

Bitte.

Bitte.

Bitte.

Bitte.

Bitte.
joswig
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Beitrag von joswig »

Ist ja gut!
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

Danke.

Danke.

Danke.

Danke.

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joswig
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Beitrag von joswig »

Selber Spammer.
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