Aus gegebenem Anlaß...

Wer Lesen kann und damit angeben muß, was er gerade liest oder gelesen hat
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mordsfilm
Altstadtquerulant
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Aus gegebenem Anlaß...

Beitrag von mordsfilm »

...vorabdrucke ich hier ein kurzes Kapitel aus der noch nicht erschienenen Zweitauflage des Werks "Mit Fantasie zum Millionär - Wie man mit Schreiben wirklich Geld verdient.".

Für all die, die meinen, sie müßten Schriftsteller werden.

Und für all die, die meinen, sie hätten ob dieses ihres bewundernswerten, heroischen Entschlusses einen Anspruch auf Unterstützung, Förderung, Betreuung und was weiß ich noch alles...

:roll:

Vom Schreiben an sich

Wenn Sie vorhaben, mit Schreiben Geld zu verdienen, sollten Sie genau überlegen, auf was Sie sich da einlassen.
Damit meine ich jetzt nicht all die Probleme, die das Leben eines Freiberuflers mit sich bringt, die wirtschaftliche Unsicherheit, die wechselnde Auftragslage, die Pflicht, sich um wirklich alles selbst zu kümmern, von der Krankenversicherung bis zu irgendwelchen Sozialab-gaben.
Nein, ich meine damit das Leben als Schriftsteller. Dieses sieht nämlich keineswegs so aus, wie es sich romantisierende Ahnungslose immer gerne vorstellen.
Man sitzt den ganzen Tag im Café, kritzelt ab und zu einen halben Satz in ein Skizzenbuch und geht dann abends beschwingt vom Tagwerk nach Hause und hat wieder eine halbe Seite des neuen 1000 Seiten Romans vollendet.
Sieht man einmal davon ab, daß die Tasse Café die Umstellung von DM auf Euro nur in der Währung, nicht im Betrag mitgemacht hat, werden Sie kaum einmal in einem Café oder an einem anderen, öffentlichen Ort arbeiten.
Höchstens, wenn es gilt, über irgendein Problem in einem Werk nachzudenken, hilft es manchmal, die eigenen vier Wände zu verlassen, um den Kopf frei zu bekommen.
Der Schreibende lebt nicht von seinen Ideen und Einfällen.
Diese haben viele.
Es laufen Millionen Menschen mit den irresten, kreativen Einfällen im Kopf herum.
Aber das reicht nicht. Schriftsteller werden sie erst, wenn sie anfangen, diese Ideen aufzuschreiben, und das ist eine Hürde, an der schon unendlich viele schreiben Wollende gescheitert sind.
Oft schon am Horror des ersten, leeren Blattes.
Aber aus diesem Stadium sind Sie längst heraus, sonst hätten Sie sich dieses Buch nicht gekauft.
Aber ich bin sicher, daß Sie sich noch an Ihren allerersten Gehversuch im Schreiben erinnern und daran, was für ein gewaltiger Schritt es war, das was da im Kopf tobte, mit der Hand umzuformen und zu Papier zu bringen.
Und genau dieser Moment wird Ihnen Ihr ganzes Leben als Autor erhalten bleiben.
Das ändert sich nie wieder.
Die Idee wird erst geboren, wenn sie das Papier erreicht. Und dieser Schritt ist Arbeit, ganz gleich, ob man einen Limmerick verfassen will oder einen 2000 Seiten Roman.
Schreiben erfordert viel Selbstdisziplin, wenn man es so professionell betreiben will, daß man davon leben kann.
Darüber müssen Sie sich von vorn herein klar sein, sonst hat es überhaupt keinen Zweck, anzufangen.
Wenn Sie nicht in der Lage sind, sich dazu zu zwingen, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Werk tatsächlich fertig zu haben, dann werden Sie sich nie vom Schreiben ernähren können.
Ihr Auftraggeber geben Ihnen keinen Vertrag, weil Sie sie schöne blaue Augen haben (na gut, das kommt auch manchmal vor, wenn auch selten...), sondern weil sie eine Gegenleistung für ihr Geld erwarten, und zwar pünktlich.
Dabei ist es Ihrem Vertragspartner vollkommen gleichgültig, ob Sie das Werk in zwei Stunden oder in sechs Wochen mit 16-Stunden-Arbeitstagen verfaßt haben. So lange Sie es nur liefern.
Der Schriftsteller als arbeitender Mensch existiert in der Wahrnehmung der Nichtschreibenden und der Öffentlichkeit im allgemeinen nicht, sieht man einmal vom vorstehend erwähnten „Caféhausschreiber“ ab.
Der Schriftsteller an sich bestimmt sich nur über sein Werk.
Hat jemand nichts geschrieben, ist er für seine seine Umwelt auch kein Schriftsteller.
Sie sehen jemanden Holz zusammenschrauben und -leimen und denken: Ah, ein Schreiner.
Am Steuer eines LKW sitzt ein Mann. Schau an, ein Trucker.
Aber würde jemand Sie am Computer oder (hoffentlich nicht) der Schreibmaschine sehen, würde er nicht denken: Sieh da, ein Schriftsteller.
Der sind Sie in den Augen der anderen erst, wenn das, was Sie geschrieben haben, in irgendeiner Form veröffentlicht ist.
Der Schriftsteller ist also im Endeffekt nie der Schreibende, sondern immer der geschrieben Habende.
Schreiben ist die einsamste Tätigkeit, die man sich vorstellen kann. Das Schreiben finden nämlich in Ihrem Kopf statt.
Die mechanische Umsetzung via Stift, Füller, Tastatur oder (seltener) Diktiergerät ist erst der zweite Schritt, der nach dem eigentlichen, kreativen Akt erfolgt, dem Wörter denken.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß ich beim Schreiben nicht wirklich existiere.
Das heißt, ich nehme mich selbst nicht mehr wahr, sondern bin ausschließlich damit befaßt, die Sätze in meinem Kopf zu ordnen und niederzuschreiben.
Dabei verliere ich auch jedes Zeitgefühl.
Ich merke nicht, wenn ich mich wirklich in die Arbeit vertiefen kann, wie lange ich daran sitze.
Bis ich dann entweder das ganze Werk oder den Abschnitt, den ich mir gerade vorgenommen habe, vollendet habe, irgendwie aufwache und wieder in der anderen Welt ankomme.
So geht es mir gerade, als ich diese Zeilen schreibe. Im Hintergrund schlägt die Glocke der Stadtkirche und ich realisiere, daß es schon elf Uhr ist.
Na gut, ein kurzer Blick nach rechts unten auf den Monitor hätte mir die Zeit auch verraten, hätte ich mich dafür wirklich interessiert.
Zeit.
Der Schriftsteller nimmt sich mit seiner Arbeit ein Stück Lebenszeit, weil er sie eigentlich nicht wirklich erlebt.
Auch der Schreibende selbst ist nicht wild auf die mechanische Tätigkeit des Schreibens, sondern auf das Ergebnis.
Ich setze mich nicht hin und sage mir, oh ja, ich schreibe jetzt etwas, so wie ich mich daran mache, etwas zu kochen.
Beim Kochen liebe ich auch die mechanischen Tätigkeiten, das Schälen, Schneiden, Würfeln, Rühren, die Koordination der einzelnen Arbeitsgänge, das Ballett am Sechsflammen-Herd (und das Verjagen lästiger Beobachter; „Raus aus meiner Küche“).
Kochen als solches erlebe ich.
Schreiben nie.
Das Drücken der Tasten ist eine monotone Tätigkeit, schon fast ein Hemmnis auf dem Weg zum geschriebenen Wort.
Es kann garnicht schnell genug vorbeigehen, damit dann endlich das Ergebnis da ist.
Der Moment, in dem „Datei-Drucken-Alles“ angesagt ist und das, was in meinem Kopf entstanden ist, sich endlich auf Papier aus dem Drucker schiebt.
Das ist ein wunderbares Gefühl. Etwas geschaffen (und geschafft) zu haben und gehört für mich zu den schönsten in meinem Dasein als Autor.

Das ist der eigentliche Augenblick, an dem ich Schriftsteller bin, für mich, ganz alleine, privat.
Der Druck des Werks oder die sonstige Veröffentlichung ist dann nur noch ein weiterer Schritt.
Am Anfang ist der Stolz natürlich da. Da ist etwas, das eine (möglichst große) Öffentlichkeit wahrnehmen soll und ich habe es geschaffen.
Das war bei meinen ersten Veröffentlichungen so.
Da fühlte ich mich endlich in den erlauchten Kreis der Schriftsteller aufgenommen, als meine erste Geschichte gedruckt war
Aber heute sehe ich meinen Namen an irgendwelchen Werken relativ gleichgültig.
Die schlußendliche Veröffentlichung ist dann nur ein weiterer Schritt, der weit, weit hinter dem Abschluß meiner eigenen Arbeit liegt.
Doch das ist meine ganz eigene Haltung zum Wesen meiner Arbeit; oder vielleicht besser: zu diesem Teil meines Lebens.
Denn eine Arbeit im Sinne einer fremdbestimmten, entlohnten Tätigkeit, die eigentlich mit mir selbst überhaupt nichts zu tun hat, ist Schreiben nie.

In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit ändert sich deshalb aber nichts.
Der Schriftsteller publiziert.
Sonst ist er kein Schriftsteller.


(c) by Backend-Verlag, Limburg, 2005
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trigger
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Re: Aus gegebenem Anlaß...

Beitrag von trigger »

mordsfilm hat geschrieben: Am Steuer eines LKW sitzt ein Mann. Schau an, ein Trucker.

Schau an, ein Trucker. Wer sagt denn so etwas? Und will man neben so einem stehen, der so etwas sagt?

Sie meinen wohl einen Trecker. Schau an, ein Trecker - bzw. ein LKW, der auf dem ersten Blick aussieht wie ein Trecker. Oft sieht man ja einen LKW und sagt sich: Ach, schau an, ein Trecker", bevor man sich korrigierend ins Wort fällt und feststellt: Schau an, ein LKW, der auf dem ersten Blick aussieht wie ein Trecker.

Ansonsten aber mit Esprit geschrieben.
Allerdings bin ich der lebende Gegenbeweis Ihrer Theorie, dass einer, der sich Autor nennt, auch schreiben muss.
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mordsfilm
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Re: Aus gegebenem Anlaß...

Beitrag von mordsfilm »

trigger hat geschrieben: Allerdings bin ich der lebende Gegenbeweis Ihrer Theorie, dass einer, der sich Autor nennt, auch schreiben muss.
Nein.

Geschrieben haben muß.

Und das haben Sie ja schonmal.
Zuletzt geändert von mordsfilm am 8. Dez 2005 10:22, insgesamt 1-mal geändert.
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trigger
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Beitrag von trigger »

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insideR
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Beitrag von insideR »

Ihr neuer Rasenmäher?
joswig
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Beitrag von joswig »

Wenn Sie, Herr von Mordsfilm, nun noch die beiden Bücher

"Mit Immobilien reich werden" und
"100 Tipps für eine lebenslange gute Partnerschaft"

verfassen, dann ist der deutsche Ratgeberkanon ja perfekt.
joswig
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Beitrag von joswig »

Dann das Meta-Werk:

Ungefragt Rat geben
Vom Schlauberger zum Besserwisser
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

joswig hat geschrieben:Dann das Meta-Werk:

Ungefragt Rat geben
Vom Schlauberger zum Besserwisser
Hätten Sie Interesse daran, ein solches Werk zu verfassen?

Der Backend-Verlag sucht noch Sachbuch-Autoren für ausgesuchte Themen.
joswig
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Beitrag von joswig »

Sicher habe ich Interesse.

Ich habe ja auch einen grossen Lehrmeister.
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mordsfilm
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Beitrag von mordsfilm »

joswig hat geschrieben: Ich habe ja auch einen grossen Lehrmeister.
Ja, bei den mehr als zweisilbigen Wörtern hilft Ihnen trigger sicher gerne.
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