- "Scheisse!"
Kein schönes Wort um diese Uhrzeit. Adrenalin schiesst mir ins Blut, ohne zu wissen warum. Irgendetwas ist nicht gut.
- "Scheisse, scheisse!"
Ich werde wach. Ein Blick auf dem Wecker: 09:33 - der Wecker geht ungefähr eine Stunde und 10 Minuten vor - zwanzig nach acht muss es sein. Kurzes Lauschen in den Körper und Nachdenken ergibt: Ich habe einen trockenen Mund, einen flauen Magen, leichte Katerkopfschmerzen und es ist Sonnabend. Ausser, dass ich sehr früh wach bin, gibt es eigentlich nichts Ungewöhnliches.
Doch.
Scheisse.
Wir wollten um sechs Uhr aufstehen. Aber warum?
Scheisse.
Wir wollten uns um 7 Uhr am ersten Parkplatz auf der Autobahn zum Bordesholmer Dreieck treffen. Wir wollten Kolonne nach Wietze fahren.
Wir wollten zur Show.
Wir können nicht mehr um 7 auf dem Parkplatz sein.
Die anderen haben bestimmt lange gewartet.
Wieso haben die nicht angerufen?
Ich habe versprochen, die Sache in der Arena zu machen. Natürlich ich, ich muss ja immer alles machen, was den anderen zu peinlich ist, auch wenn es niemals meine Idee war. Ich habe mich nicht überreden lassen. Ich nicht. Ich habe die Züchter nicht nach Hause eingeladen. Na gut, meine Eltern auch nicht, aber so richtig abgesagt haben sie denen nicht. Naja, haben sie schon, aber ganz offensichtlich nicht deutlich genug.
Ich torkel in die Küche und sehe den Anrufbeantworter blinken.
Sie haben doch angerufen.
Wahrscheinlich alle drei anderen Teams.
Ich lösche die Meldungen, ohne sie anzuhöhren.
Warum auch mussten wir gestern noch trinken. Bis drei. Im Grunde genommen gut, dass wir verschlafen haben. Wäre ja unverantwortlich gewesen, um halb sieben zu fahren. Halb neun habe ich doch mindestens 0.3 Promille weniger, bei dem Training.
Während ich all diese Gedanken habe, duscht die Liebste bereits, allerdings nicht ohne wilde Flüche auf dem Weg dorthin ausgestossen zu haben.
Hat auch was Gutes, so brutal aufzustehen; durch das Adrenalin kommt man immerhin schnell in die Gänge und vergisst kurzzeitig vollkommen den Schwindel und den Kopfschmerz. Zur Sicherheit gönne ich mir trotzdem 400mg Ibuprufen und einen halben Liter Leitungswasser. Flux noch beim ungetoasteten Toastbrot die scharf gebratene hellbraune Kruste abgeschnitten und das wabbelige Innenleben mit der Zunge am Gaumen zerdrückt - das bringt den Magen wieder in den Tritt. Ich muss kurz an das Mikrowellenexperiment mit meinem Schulfreund Stephan denken, als wir irrtümlich dachten, ein Toastbrot mit einem rohen Ei drüber geschlagen und einer Scheibe Scheibli als Deckel ergäbe in der Mikrowelle einen schmackhaften und nahrhaften Snack, der nebenbei in Sekunden zubereitet ist. Dass wir damit den Egg-Mac-Muffin erfunden hatten, bevor McDonalds auch nur an etwas Ähnliches dachte, ist nur eine meiner schmerzlichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Erfindungen, die ich leider nicht habe schützen lassen. Ich habe gescheiterte Surf-Board-Designs vorhergesehen (Swallow-Tail-Double-Winger für den Eingeweihten), bevor auch nur der Double-Winger auf dem Markt war, ich -
"Mach Dich fertig, wir müssen los!"
Diese Aufforderung reisst mich aus meinen wehmütigen Gedanken. Ich entgegne: "Ich muss noch den Dreck von gestern Abend wegräumen", die Antwort ist so berechenbar wie richtig: "Das hättest Du ja schon lange machen können, wir haben keine Zeit mehr. Ich muss das jetzt machen."
Na, das hat ja mal wieder geklappt, so denke ich, habe kurz ein schlechtes Gewissen dabei und verdrücke mich ins Bad, wo ich alles Notwendige verrichte und das ich immerhin frisch geduscht und mit geputzen Zähnen keine 7 Minuten später verlasse. Es ist jetzt 20 vor neun und wir können die Wohnung verlassen.
Am Auto ist die Antenne abgebrochen worden. Was solls, sonst geht die Karre ja noch; wenigstens hat nicht wieder ein Penner drin geschlafen und ich habe auch nicht wieder so eine Kralle und einen Kuckuck am Auto, vom Ordnungsamt, dem ich noch Geld für Tickets schuldete, aber das sind alles Geschichten, die hier keinen Platz haben.
Naja, schon ein bischen schade mit der Antenne, Radioempfang ist Asche und der CD-Player ist ja gar nicht mehr im Auto, seit dem letzten Einbruch.
Ich wohne in keiner üblen Gegend, nein, die Wohnung ist nur günstig, in der Nähe vom Bahnhof und direkt gegenüber ist eine 24 Stunden Shell-Tanke. Als Dauerangebot haben die eine Palette Paderborner 0.5 Dosen für 20 Mark, da kann man nichts sagen. Auch wenn Paderborner an und für sich gar nicht schmeckt, für den überraschenden Besuch ist das Zeug immer noch gut genug.
Ich kaufe noch schnell zwei Dosen Cola-Light und ein Bifi-Roll an der Tankstelle, der Snack sollte für die Fahrt reichen. Bifi-Roll ist übrigens sehr trocken im Mund und ich schäme mich ein bischen zuzugeben, es in unregelmässigen aber wenigstens zunehmenden Abständen zu essen. Keine Angewohnheit, auf die man stolz ist.
10 Minuten vor 9 erreichen wir die Autobahn.