Religion = Hemmschuh der Menschheitsentwicklung?

Philosophische Höhenflüge und Abstürze
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mordsfilm
Altstadtquerulant
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Religion = Hemmschuh der Menschheitsentwicklung?

Beitrag von mordsfilm »

:worship:

In einem, zumindest einem Teil der hiesigen Mitgliedschaft bestens bekannten Forum findet zur Zeit eine Art von Debatte über das Wesen der Religion an sich statt.
Das interessante Thema erscheint mir an der betreffenden Stelle jedoch deplatziert, so daß ich mich daran bislang nicht beteiligt habe.

Einer der Disputanten geruhte, sich wie folgt zu äußern:
Da ist doch die Frage erlaubt,ob wir uns heute diese ganzen Religionen noch leisten können!Der einzige Sinn ist heute die Anbindung und Abgrenzung ,was in grauer Vergangenheit vielleicht mal einen zivilisatorischen Grund hatte ,ist schon lange ein Hemmschuh für die Entwicklung der Menschheit.
Dies möchte ich hiermit zur Debatte stellen.

Mein Ansicht zu diesem Thema ist, stark verkürzt, die folgende.

Es ist bis heute nicht gelungen, in der gesamten Menschheitsgeschichte auch nur eine einzige Kultur auszumachen, die über keinerlei Religion verfügte.

Die Bandbreite der Spititualität ist dabei extrem, aber die große Gemeinsamkeit ist deren durchgehend nachweisbare Existenz an sich.

Daraus schließe ich, daß es ganz offensichtlich eine Art angeborenen Drang zur Entwicklung einer Religion gibt, also ein vitales Bedürfnis nach einer solchen.

Von daher ist für mich die Behauptung, Religionen behinderten die Entwicklung der Menschheit (wohin?), eine genauso verwegene wie hypothetische, da die gesamte Menschheitsentwicklung bis zum heutigen Tag nur unter Einbeziehung von Religionen stattfand.

Einen Beweis für die Richtigkeit der These wäre nur anzutreten, wenn man eine Hochkultur finden würde, die weit über den heutigen stehen würde und über den gesamten Verlauf ihrer Entwicklung religionsfrei gewesen wäre.

Dazu wird man aber erstmal ein Paralleluniversum finden müssen...

Meinungen?
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insideR
Herr Barth
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Beitrag von insideR »

Man wird dies Paralleluniversum nicht finden.
Ralf


















Achso, Thema war ja Religion:
Die Hoffnung, dass eine höhere Macht die Geschicke lenkt und zum Guten wendet, scheint mir Grundlage der Religion zu sein. Daraus haben sich durchaus Abartigkeiten entwickelt, die sich der Entwicklung der Menschheit entgegenzustellen scheinen. Aber dazu müßte man wissen, wohin die Menschheit geht, quasi.
Obwohl Atheist, lebe ich doch nach den biblischen 10 Geboten. Gibt es diese groben Verhaltensvorgaben auch in anderen Religionen? Ist Religion dazu da, das Zus-Leben großer Gemeinschaften zu organisieren? Um Gemeinschaften zusammenzuhalten, braucht es nunmal Rituale wie zum einen die sonntägliche Messe oder auf der "anderen" Seite das kollektive Absingen von Kampflieder der Arbeiterklasse.
Religion per se zum Hemmschuh der Geschichte zu erklären ist genauso absurd wie "Sowjetmacht+ Elektrizität=Kommunismus". Jede Bewegung ist von ihren Führern abhängig und in diesem Punkt werden die Verlockungen der Macht zum Casus Knacktus.
Dies mal kurz während des Frühstücks.
Ralf
13

Beitrag von 13 »

Hallo,

die Frage nach dem Wesen der Religion, ist für mich gleichmermassen faszinierend, wie umfassend. Sich dieser Frage anhand von individuellen Vorstellungen ( vorstellungen, die das Individuum betreffen, anzunähern,z.B. Zugehörigkeit, halte ich für nicht so günstig, um der Antwort, wenn es sie gibt, auf die Spur zu kommen ).
Das Wesen der Religion ist, meiner Meinung nach, nicht von den Epochen der Menschheitsgeschichte zu trennen, auch nicht vom sozialen Kontext
( Stämme,Städte,Nationen ) . Prinzipiell, ist Religion für mich ein Ausruck der Arroganz einzelner, für sich die Wahrheit zu beanspruchen, wobei ich diesen Anspruch mal auf ein Machtbedürfnis zurückführe, dass das eigen Überleben , auch wenn es nur Geistig ist, zu sichern.
Ich habe diesen flüchtigen Gedanken fallen gelassen, nachdem ich dabei bis zu den Zoroastern ( http://www.zoroaster.net ) vorgedrungen bin.
In der Tat, denke ich , dass Religion, Mythologie, Philosophie immer versucht , das Leben an sich zu erklären. Aktuell würde ich dazu der Wisssenschaft glauben, eine Verbindung zwischen spezieller Relativitätstheorie und Quantenphysik irgendwann beweisen zu können.
Für Angeboren halte ich nur den Überlebenstrieb, wozu die Religion früher und heute , immer ein Mittel zum Zweck war.
Eine Hochkultur, die an nichts glaubt als an ihr eigenes Fleisch und Blut halte ich für alles andere als Hochentwickelt. eine Kultur, die Religionsfreiheit bietet ist Hochentwickelt, da sie der angesprochenen Arroganz entgegenwirkt und nicht den Anspruch des Absoluten an ihre Gemeinschaft stellt.
Die Thematik sollte man etwas einschränken, um einen gemeinsamen Diskussionsgegenstand beizubehalen.
V1 Release 3
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trigger
Unter fadenscheinigen Ausreden nicht mit owagner Essgehenwoller
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Beitrag von trigger »

Kein wirklich Glaubender kann tolerant sein.
Das hieße ja, den Anderen wissentlich, ja absichtlich, in seinem großen Irrtum zu belassen.
Glaube und Mitmenschlichkeit gebieten den Eingriff, zur Not auch, ja, ich wage das Wort, den Zwang.

Das Thema Folter mag in diesen Tagen gesellschaftlich nicht mehr ganz unumstritten sein, was aber was wiegt schwerer, liebe Mitdiskutanten: ein kleines Wehehchen heute und ewiges Fegefeuer morgen und immerdar?

Pfarrer Gerber, vielleicht können sie das Thema auch von ihrer Seite ein wenig beleuchten? Darüber wäre nur allzu erfreut

Jörg
13

Beitrag von 13 »

Hi,

wenn man den islamistischen Fundamnetalisten alles abspricht, bleibt immerhin noch der Respekt vor ihrem wirklichen Glauben. Die Realität sieht allerdings anders aus, z.B. so :
Jerusalem, 2004 : Nachdem die Grenzkontrollen an der Mauer zu Israel so verschärft wurden, dass die meisten Selbstmordattentäter abgefangen wurden, griffen die Palästinenser zu einer neuen Dimension der Gewalt, man schickte Frauen aus, um die Kontrollen passieren zu können. Diese Frauen waren nur bedingt bereit den ultimativen Glaubensbeweis zu erbringen, deshalb schickte man Frauen, die aufgrund des Glaubenssystems der Moslems ihr irdisches Leben ohnehin verwirkt hatten, weil sie entweder aufmüpfig gegenüber ihren Ehemännern waren oder gar fremdgegangen sind, in jedem Fall gesellschaftlich und spirituell in Ungnade gefallen sind.
Diese Frauen sprengten sich und etliche Juden in die Luft, im Glauben, ihre Kinder und Familie dadurch von ihrer "Schandtat" zu rehabilitieren. Zuerst waren es Frauen aus niederen Verhältnissen, dann aber auch aus angesehenen Familien, jedoch mit "Schande".

Das Dilemma , das Du ansprichst ist für die Fundamentalisten ( wirklich Glaubenden ? ) garkeines, sondern nur für die, die Glaubensfreiheit tolerieren...

Mitmenschlichkeit ( wobei ich Tiere nicht davon ausschliesse, im Einzelfall sogar bevorzuge :roll: ) steht für mich über jeglicher Glaubensausrichtung.

Die Frage, die mich interessieren würde ist und damit schliesse ich an Mordsfilms Aussage an, warum braucht ( gibt ) es seit Menschengedenken Glauben, wenn dadurch mehr Schaden als Nutzen entstanden ist ?

Ich fände es auch sehr interessant, Pfarrer Gerber, als Vertreter hiesigen Glaubens miteinzubeziehen, wenn der Mann jedoch nur auf Anfeindungen trifft schliesse ich mich aus einer fortführenden Diskussion aus. Wir selbst können uns nicht gegen unsere christliche Erziehung stellen und diese ignorieren.

Grüße
Marc
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hpt.mumm
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Beitrag von hpt.mumm »

@ Marc:
"Wir selbst können uns nicht gegen unsere christliche Erziehung stellen und diese ignorieren."

Wieso nicht?

Haben schon manche Menschen getan.

Beitritt zu anderen Glaubensgemeinschaften und anschliessender Ausbildung zu Terroristen.

Austritt aus der christlichen Kirche und anschliessend die eigenen Kinder verrecken lassen, weil in der neuen Glaubensgemeinschaft OP-Verbot herrscht.

Als Christ erzogen den Marxismus erdenken, den Stalinismus Massenmord begehen lassen.

Als Christ erzogen, das Nazitum nicht bekämpft zu haben.

Von den paar Knüppeln haue ich Dir gerne noch ein paar mehr um die Ohren.

Religion ist für mehr Tote verantwortlich, als jeder "staatliche" Krieg jemals verantworten musste.

Gibt das zu Denken?

Grüße Robert
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fisherman
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Beitrag von fisherman »

Daraus schließe ich, daß es ganz offensichtlich eine Art angeborenen Drang zur Entwicklung einer Religion gibt, also ein vitales Bedürfnis nach einer solchen.
Ich glaube eher, das es ein Merkmal der bewussten Daseinsform Mensch ist.
Dadurch, das sich der Mensch seiner Existenz bewusst ist, stellt er unwillkürlich
die Frage nach dem Sinn seiner Existenz. Was liegt näher, als die Übernatur
als Erklärung anzubieten ?
Dazu kommen noch Faktoren wie Angst vor der Nichtexistenz, Machtstreben
oder Rechtfertigungszwang.

Jeder hat irgendwie Bammel vor dem Tode, also vor der Nichtexistenz, ein
Glaube an ein Weiterexistieren nach diesem Punkt ist sicherlich gut für das
seelische Gleichgewicht.

Machtstreben: Jede Zivilisation, die eine Religion entwickelt hat, hat zwangsläufig
auch eine Priesterkaste mit mehr oder weniger zementierter Hierarchie ent-
wickelt. Die Priesterkaste hatte immer eine gewisse Macht über den Rest
der Gemeinschaft. (In diesem Zusammenhang nehme ich auch das kommunis-
tische System nicht aus)

Rechtfertigungszwang: Irgendwie muss jeder irgendwann gewisse Verhaltens-
weisen vor sich oder anderen rechtfertigen. Oft ist da die Religion letztes
Mittel, wenn alle anderen Rechtfertigungen nicht mehr greifen.

Persönlich halte ich nichts von der (katholischen) Kirche als autoritäre und
restriktive Institution, währen vieles, das landläufig als "Kirchenarbeit" betitelt
wird durchaus seine Berechtigung und sein Gutes hat. Ich kann nur den
sturen Dogmatismus nicht ab, gerade jetzt kriegen "Mischehen" (ev/rk)
wieder vom Vatikan eine auf den Deckel.

Ich glaube, jeder muss persönlich seinen Glauben finden, ganz ohne wird
keiner auskommen, das liegt wohl wirklich im Menschen.

jo
ICH BINNE NICHT TOT
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peterle
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Beitrag von peterle »

trigger hat geschrieben:Kein wirklich Glaubender kann tolerant sein.

Das hieße ja, den Anderen wissentlich, ja absichtlich, in seinem großen Irrtum zu belassen.
Glaube und Mitmenschlichkeit gebieten den Eingriff, zur Not auch, ja, ich wage das Wort, den Zwang.
Deine obige Aussage ist ein Irrtum. Diese gilt nur, wenn Du die Toleranz entsprechend deiner unteren beiden Sätze einschränkst.
Ich wage jetzt die Behauptung, daß weder das moderne Christentum noch der Buddhismus - tibetisch oder Soto-Zen, mit anderen habe ich mich gar nicht beschäftigt - diese Toleranz missen lassen.
--
Aber am besten ist immer noch - saufen saufen saufen
Saufen, saufen, saufen, saufen, saufen, fressen und ficken
Saufen, saufen, saufen und die Kinder Bier holen schicken
Die Schröders
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peterle
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Beitrag von peterle »

hpt.mumm hat geschrieben: Religion ist für mehr Tote verantwortlich, als jeder "staatliche" Krieg jemals verantworten musste.
Hast Du mal eine Liste ... :roll:
Ich halte die "Religion" als Bestandteil des Menschseins für neutral.
Erst der Fanatismus sorgt für die Toten. Diesen Fanatismus gibt es aber auch in allen anderen Bereichen des Menschseins.
--
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SIM_Blackblade
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Beitrag von SIM_Blackblade »

Vielleicht sollte man sich im Vorfeld erstmal über gewisse Begrifflichleiten in diesem Umfeld einigen.

Es gibt wohl kaum einen Bereich, in dem sich mehr widersprüchliche Definitionen finden lassen.

Bei uns wird Religion naturgemäß meisst mit den monotheistischen Religionen (z.bsp. Christen, Juden, Islam) gleichgesetzt.
Der Buddhismus, den peterle hier ins Spiel gebracht hat, ist nach unserem Verständniss weniger eine Religion, als eine Philosophie.

Ich bin "ganz normal" christlich erzogen worden und war auch lange Zeit überzeugter Christ. Aber das ein oder andere Schlüsselerlebniss mit der Kirche haben mich irgendwann zum Nachdenken gebracht.
In der Folge habe ich mich recht intensiv mit dem Thema Religion beschäftigt.
Daraus möchte ich beiden Seiten ein wenig Recht geben...

Ja, Religion ist gefährlich und hat in der Geschichte sehr viel Leid hervor gerufen.
aber auch ja, ohne Religion wäre unsere Zivilisation nicht denkbar und unsere heutige Vorstellung von "sozial" und "Menschlichkeit" würde wohl nicht existieren.

Für mich habe ich das Problem im Dogmatismus der meissten Religionen gefunden. Daraus entstehen offensichtlich nahezu alle wirklich schlimmen Züge der Religionen und ihrer Anhänger.

Der Buddhismus ist da ganz anders, und für mich die kompletteste und "aktzeptabelste" Form der Religion.
Im Gegensatz zu den anderen Religionen, mit denen ich mich beschäftigt habe (was primär Christentum, Islam und Judentum sind), hebt der Buddhismus die Selbstverantowrtung des Einzelnen hervor und warnt vor Autoritätsgläubigkeit. Er erwartet von jedem, die Lehren nicht blind zu übernehmen, sondern sie für sich kritisch zu prüfen.
Damit ist er aber wohl leider auch für viele "Stromschwimmer" nicht wirklich geeignet.

Ansonsten sind leider die wenigstens Religionen das, was ich als tolerant bezeichnen würde. Gerade die monotheistischen erheben jede für sich den Anspruch, allein selig machend zu sein.
Teilweise findet sich in den jeweiligen "Standardwerken" sogar die explizite Aufforderung, notfalls mit Gewlt zu bekehren. Das ist nicht meine Auffassung von Toleranz.

Das soll jetzt im übrigen keine Werbung für den Buddhismus sein. Ich bin auch (noch?) kein Buddhist.
Aber die Buddhisten sind mir irgendwie deutlich sympathischer als alle anderen "Gläubigen".

Gruss, Michael
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